Ich habe weniger Mitleid mit Obdachlosen

Ich lebe in einer kleinen Stadt mit einem kleinem Bahnhof. Der Bahnhof wird ehrenamtlich geführt und nachdem ich dor seit einem Jahrezehnt fast täglich Kaffee in einem der Restaurants genossen habe, wurde ich Reinigungskraft für diesen Bahnhof. Ich habe also täglich "unsere" Obdachlosen beobachten können. Als Reinigungskraft ist das alles nochmal wilder.

Einer droht jedem, der ihn darauf hinweist, dass das Rauchen im Bahnhofsgebäude verboten ist, mit Prügel. >>Polizei muss kommen, weil er nicht freiwillig geht.

Ein anderer hat seine Frau fast umgebracht, die wir alle kannten, weil sie im Restaurant gearbeitet hat, um die Wohnung bezahlen zu können. Der hält sich zum Glück vom Bahnhof fern, nachdem er Prügel bezogen hat von ihren Kollegen. Wir haben sie seit dem Angriff nicht mehr gesehen oder von ihr gehört, können also nur hoffen, dass sie lebt.

Der dritte ist alt und geht am Rollator. Der hat letztens auf einen der Bänke geschlafen und dann, kurz nach dem Aufwachen, einfach seinen Lörres rausgeholt und vor sich hin gepinkelt. Ich habe ihn des Hauses verwiesen, er ging natürlich nicht und zündete sich direkt vor Ort in der Lache sitzend noch ne Zigarette an. Das hatte ich nun davon, dass nett sein wollte und ihn schlafen lassen hatte. >>Polizei kam an dem Tag drei Mal und hat ihn mitgenommen, weil er sich weder ans Hausverbot gehalten hat, noch in der Obdachlosenunterkunft geblieben ist. Und natürlich immer wieder Zigarette innerhalb des Gebäudes gezündet hat.

Der Vierte legt sich mitten in die Halle und bettelt um Geld. Natürlich zündet auch er sich stumpf die Zigarette an im Gebäude.

Ich habe kaum noch Mitleid. Ich spreche jeden direkt an. Ich bin freundlich, aber bestimmt, als ehemalige Zugbegleiterin hab ich ein dickes Fell was unbeholfene Gäste angeht. Aber… Es sind alles Männer. Es sind Männer, die derart offensichtlich frauenverachtend sind, dass ich mich nicht wundere, dass sie auf der Straße leben. Ich gehe davon aus, dass sie 51% der Hilfe ablehnen, weil es hier vor Ort meist Frauen sind, die in entsprechenden Ämtern/Hilfschaften die Hilfe organisieren. Das offensichtliche asoziale Verhalten macht es nicht einfacher. Ich ekel mich nicht vor ihnen. Ich habe auch keine Angst, nur eine gesunde Vorsicht. Trotzdem habe ich keinerlei Mitleid mehr. Diese Männer machen allen um sich herum das Leben zur Hölle.

Würden sie vor der Tür rauchen und zumindest in der Klokabine pissen (sie müssen von mir aus noch nichtmal treffen) hätte ich kein Problem mit ihnen. Aber so gehöre ich zu denen, die sie in die Kälte jagt und nicht auf den Bänken liegen lassen will. Und es ist mir egal.

Edit:
Ich sehe woher ihr kommt mit dem Männerhass. Ich fühle mit zurecht darauf hingewiesen. Ich hätte das besser formulieren können. Bitte versteht trotzdem meine Lage: ich bin 1,60 groß und unterlegen. Ob ich es will oder nicht, die Männer sind eine Gefahr für mich. Nach vielen Jahren in denen ich von Männern belästigt wurde, hat sich da ein blödes Denkmuster verfestigt.

Ihr habt auch recht: Diese Männer haben schlimme Dinge durchgemacht. Ich sehe in ruhigen Minuten wie verdammt erschöpft sie sind. Ich will das für keinen Menschen. Ich habe nur keine Kapazitäten mehr um zu helfen. Meine Aufgabe am Bahnhof ist es die Hausordnung durchzusetzen und dafür zu sorgen, dass alle sich so wohlfühlen, wie die Umstände es erlauben. Da muss ich klare Kante zeigen.

Um das nochmal zu erwähnen: wir haben auch eine Frau, die auffällig ist. Die labert die Leute denn lieben langen Tag lang über Hühner zu, fährt hin und wieder mit den Zügen weil sie in die Lokführer verknallt ist. Aber sie raucht nicht im Bahnhof, besäuft sich nicht und pinkelt in keine Ecke. Zudem entschuldigt sie sich, wenn sie darauf angesprochen wird, sich mal ein wenig runterzufahren, wenn sie übertreibt. (Die liebt Hühner wirklich sehr)

Not all men. But always a man. Stimmt in meinem Fall leider.

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